Froststopfen

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Peter_B
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Froststopfen

Beitrag von Peter_B »

Hallo Freunde des Guten Sterns auf Allen Straßen,

Forumsmitglied Marco hat uns ja eine eher ernüchternde Geschichte seines „Alltags S“ geschrieben, die vorzüglich in die Rubrik „Pleiten, Pech und Pannen“ passen würde.

Neben den vielen kleinen und großen Malheuren, bin ich über die herausfallenden Froststopfen gestolpert.
Wie so oft können kleine unscheinbare – und für den eigentlich Betrieb zunächst nutzlose – Teile, ausschlaggebend für Pannen bis hin zu kapitalen Motorschäden sein - und für Froststopfen gibt es auch keine Wartungs- und Pflegevorschriften (zumindest mir nicht bekannt).

Gibt es zu Froststopfen mehr Informationen?
Obwohl es doch in den Zeiten vor Glysanthin und anderen Frostschutzmitteln und durchaus kälteren Wintern öfters zu Frostschäden oder zum "Auslösen" der Froststopfen gekommen sein könnte, und somit die Notwendigkeit zur Reparatur, habe ich im WHB keine Hinweise dazu gefunden.

Der Froststopfen muss flüssigkeitsdicht abschließen, er erträgt große Temperaturschwankungen und Druckunterschiede, aber muss natürlich aufgrund Eisdruck aus seiner Passung herausdrückbar sein, um weitere Motorschäden zu verhindern.
Wie macht er das? Ernstgemeinte Frage!
…und, wie setzt man ihn wieder so ein, dass er bei Druck- und Temperaturschwankungen absolut wasserdicht ist, dennoch den Motor vor Frostschäden bewahrt?
Ginge das im Rahmen einer Pannenbehebung am Straßenrand? Eher nicht, und wenn, dann vermutlich höchstens an den seitlichen Froststopfen. Der hintere ist ja nur schlecht zu erreichen und möglicherweise bei eingebautem Motor gar nicht.
…und man verbrennt sich die Finger…
...und man müsste den herausgefallenen Stopfen auch gefunden haben...

Schöne Grüße

Peter
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HaraldSchuessler
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Registriert: 20. Aug 2020, 17:51

Re: Froststopfen

Beitrag von HaraldSchuessler »

Lieber Peter,

noch hat dir niemand auf deinen Beitrag geantwortet. Ich will es versuchen, so gut ich kann.
Als ich ganz zu Anfang meiner 170er Zeit war, ging ich einmal zu einer DB-Niederlassung und wollte einen „Froststopfen“ kaufen. Der Verkäufer wollte mich wohl etwas schikanieren und tat so, als ob er diesen Begriff noch nie in seinem Leben gehört hätte. Nachdem er mich eine Weile schmoren ließ, fragte er, ob ich vielleicht einen Kernlochstopfen kaufen wolle. Da habe ich gelernt, dass diese Gebilde umgangssprachlich Froststopfen heißen, weil sie bei Frost aus dem Block gedrückt werden, ihre eigentliche und einzige Aufgabe aber darin zu sehen ist, dass sie die beim Gießen des Blocks entstehenden Kernlöcher verschließen. Und das tun sie auch ziemlich perfekt. Durch einen mittelschweren Schlag auf die Kuppe spreizt sich der Stopfen, der scharfkantige Rand drückt sich exakt in seinen Sitz – und fällt auch nicht wieder heraus. Tut er es dennoch, liegt der Grund in einem Montagefehler, meist wurde zu lange auf dem Deckel herumgeklopft, so dass er seine Spannung verloren hat. Früher, als man nur mit Wasser ohne Frostschutz fuhr, rosteten diese Deckel manchmal auch durch und wurden undicht. Das passiert heute nicht mehr. Einen herausgefallenen Froststopfen wieder einzusetzen ist keine gute Idee. Er wird wieder herausfallen. Zum einen weil er, wie schon gesagt, sich nicht mehr spannen lässt, zum anderen, weil der scharfkantige Rand sich verformt hat und nicht mehr dichtet.
Du machst in deinem Beitrag auf das besondere Problem des Ersetzens der hinteren Froststopfen aufmerksam. Dazu habe ich vor längerer Zeit im „alten Forum“ einen kleinen Text geschrieben. Ich hänge ihn hier an.

Gruß Harald
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Wenn Großväterchen erzählt.
Wir waren in den 60er Jahren mit Schrottkisten unterwegs, hatten keine Erfahrung, keine Kenntnisse. Und Geld hatten wir auch nicht.
Aus meiner „Lehrzeit“:

1965 - Holz ist wunderbar
Als ich meinen ersten 170er, einen Db kaufte, war ich 21 Jahre alt und gerade aus der Schule entlassen. Nun konnte ich sogar Cäsar übersetzen. Bei meinem Db half mir das leider nicht. Öffnete ich die Motorhaube meiner schönen Neuerwerbung, sah ich in eine fremde Welt: vor mir lag ein undurchschaubares Wirrwarr von irgendwelchen öligen und rostigen Teilen.
Eines Tages machte mich dann ein etwas fortgeschrittener 170er Fahrer auf einen Holzpflock aufmerksam. Das könne so ja wohl nicht richtig sein. Tatsächlich, das war mir überhaupt noch nicht aufgefallen: aus dem Motorblock ragte ein kräftiger Holzpflock. Klar, das leuchtete auch mir sofort ein, da konnte etwas nicht stimmen. Ich erkundigte mich dann bei einem Fachmann. Nein, das sei nicht in Ordnung, dieses Loch im Motorblock müsse mit einem Froststopfen und nicht mit einem Holzpflock verschlossen werden. Das zu ändern sei aber wirklich kein Problem, bei Mercedes gebe es diese Verschlussdeckel, sie würden fast nichts kosten und der Einbau wäre ganz einfach, nur ein Hammerschlag.
Das traute ich mir zu! Ich fuhr zu einer Mercedes Niederlassung um einen passenden Froststopfen zu besorgen. Der Verkäufer machte große Augen, eine „Verschluss-Scheibe“, so hieß das Teilchen offiziell, in der von mir gesuchten Größe gab es in seinen Katalogen nicht. Es gab nur 40 und 50 mm- Scheiben. Ich möge doch bitte nochmal genau messen. Aber alles Messen half nichts, es waren 45 mm und es blieben 45 mm. Merkwürdig. Und nun? Ich fuhr nach Hause - und trieb den alten Holzpflock wieder ein. Da war der Motor wieder dicht. Noch gut ein Jahr bin ich so gefahren, sogar in Griechenland war ich damit. Bis heute kann ich mir nicht erklären (und bis heute konnte mir auch noch niemand erklären) wie es zu diesem merkwürdigen Maß gekommen ist.

1966 - Holz ist immer noch wunderbar.
Ein Jahr später - inzwischen hatte ich schon ein wenig dazugelernt – wechselte ich bei meinem S-D den Motor. Als der „neue“ Motor – er kam natürlich vom Schrottplatz - provisorisch saß, wurde entlüftet und die Batterien wurden angeschlossen. Dann, noch ohne Auspuff , ein Probelauf. Der Motor rumpelte, fing an zu schütteln und zu donnern. Und schon stürzte ein kräftiger Wasserschwall durch die noch offene Spritzwand auf mein Bein. Hatte ich vergessen, einen Wasserschlauch anzuschließen?
Es war schlimmer! Der hintere Froststopfen am Zylinderkopf war herausgedrückt worden.
Wie sollte ich das beheben? Eine unerreichbare Stelle. Eines war sofort klar: ein nochmaliger Ausbau des Motors kam nicht in Frage. Mir fiel der Holzpflock in meinem Db ein. Also stellte ich an der Drechselbank einen passenden Holzstopfen her. Zwei schlanke Holzkeile wurden zwischen Spritzwand und Motorblock gefädelt und so konnte ich meine „Holz-Verschluss-Scheibe“ einpressen. Es ging! Das Holz quoll und der Motor war dicht. So ganz habe ich dieser Konstruktion aber nicht vertraut und ließ die beiden Keile vorsichtshalber gleich an ihrer Stelle. Da schabten und quietschten sie noch ein ganzes Jahr.

1967 – Auch Zähne sind wunderbar. Und Luft kann falsch sein.
So weit zu den hölzernen Froststopfen. Wie ging es weiter? Der Holzpfropf hielt, aber schon bald drehte überraschend der Anlasser durch. Der Zahnkranz der Schwungscheibe litt an einer Stelle unter Zahnschwund. Darin sah ich kein größeres Problem, die Kurbelwelle wurde eben von Hand etwas weitergedreht und schon ging es wieder. Die Strecke, die weitergedreht werden musste, wurde aber von Mal zu Mal größer. Schon bald war sie beängstigend groß und schließlich konnte man drehen so viel man wollte, der Anlasser fand nicht einen einzigen Zahn. Eine Zeitlang wurde der Wagen von Freunden vor jeder Fahrt angeschoben. War ich irgendwo zu Besuch, nagelte draußen der Motor. Dann fand ich auf einem Schrottplatz wieder einen erschwinglichen „neuen“ Motor. Vor dem Einbau habe ich mich dieses Mal davon überzeugt, dass die Froststopfen und der Zahnkranz in Ordnung waren. Und so lief alles wunderbar. Eine Weile wenigstens. Bis der Motor plötzlich auf freier Strecke stehen blieb. Der Tank war voll, im Vorfilter war aber kein Diesel. Es wurde gepumpt. Und entlüftet. Schon konnte es weitergehen. Nach einer Woche das Gleiche nochmal. Ärgerlich. Wieder gepumpt und entlüftet. Der Motor lief. Wie man schon ahnt: das sollte nicht das letzte Mal gewesen sein. Die Abstände zwischen dem lästigen Entlüften wurden immer kürzer, schließlich reichte es nur noch für wenige Kilometer. So konnte es nicht weitergehen. Irgendwo musste eine Undichtigkeit in der Ansaugleitung sein. Es war ein nasser und kalter Dezember, am Straßenrand war dieser Schaden jetzt nicht zu beheben. Ich musste mir etwas einfallen lassen.
Der rechte Sitz wurde ausgebaut und durch einen großen Plastikkanister ersetzt. Das war nun mein Tank. Von hier lief ein Kunststoffschlauch nach vorn zum Filter, sicherheitshalber fixiert durch eine Wäscheklammer. Es funktionierte! Beim Blick nach rechts sah ich dann aber staunend: der Kanister entleerte sich in rasendem Tempo. Ich hatte nicht an die Rücklaufleitung gedacht. Gerade noch rechtzeitig bevor der Tank überquoll, wurde nun auch die Rücklaufleitung in den Kanister geführt. Nun wurde mein Schlauchvorrat knapp, es reichte gerade so eben. Eine weitere Wäscheklammer sicherte auch diesen Schlauch. Trotzdem rutschte er immer mal wieder ab und schon nach wenigen Tagen roch es im Innenraum wie in einem Heizungskeller. So fuhr ich den ganzen Winter. Im Frühjahr ging es dann an die Reparatur. Eine neue Leitung - natürlich eine „neue Gebrauchte“ vom Schrott - wurde eingebaut. Und auch der Sitz kam wieder an seinen alten Platz. Nun musste ich meine Mitfahrer nicht mehr bitten, hinter mir Platz zu nehmen.
Muss ich es überhaupt erwähnen? Hinter den Holzpfropfen zirkulierte damals natürlich auch Wasser. Aber ohne Frostschutz. Auch im Winter. Bei Frostgefahr haben wir abends das Kühlwasser abgelassen. Am nächsten Tag wurde dann neu aufgefüllt. Ein Frostschutzmittel kaufen? Nicht nötig, zu teuer!
So war das damals, in meiner Studentenzeit. Heute bin ich nicht mehr so knapp bei Kasse und dazugelernt – by doing - habe ich in diesen fünfzig Jahren auch. Solche Sachen passieren uns heute nicht mehr. Im ersten Fall würde man sich eben einen passenden Froststopfen drehen lassen. Leicht zu machen. Im zweiten Fall: Wir erneuern die Froststopfen schon beim leisesten Verdacht. Und wenn es doch passieren würde? Dann würden wir den Motor klaglos, ach was sage ich: mit Freude in der eigenen Werkstatt - und nicht am Straßenrand - wieder ausbauen. Und im vierten Fall: Ich stelle mir das ungläubige Gesicht eines Polizisten vor, wenn ihm bei einer Verkehrskontrolle eine so verwegene Konstruktion vor die Augen käme. Den Führerschein könnte man dann für ein paar Jährchen ganz vergessen. Und ein lustiger Bericht in der Lokalzeitung wäre auch fällig.
Weil das alles aber heute nicht mehr passieren kann, meine ich: wenigstens in Günters Forum könnte doch mal darüber berichtet werden.

Es grüßt Euch Harald Schüßler
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jimattsson
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Re: Froststopfen

Beitrag von jimattsson »

Hallo Harald, was für schöne(?) Erinnerungen wecken Deine Geschichten aus vergangenen Zeiten nicht! Ach, die erbärmlichen Röcheleisen, denen man damals seinen Leben im Verkehr anvertraut hat, die notdürftigen Reparaturen am Strassenrand bei strömendem Regen, und vor allem: was für ein Spass man dabei gehabt hat! Beim Lesen habe ich mich für eine flüchtige Weile wieder wie junger Student gefühlt – ich danke Dir recht herzlich dafür!

Zum Thema „Froststopfen“: So heissen diese auch hier in Schweden, obwohl es ja wenigstens hier für jedermann, der einen verfrorenen Motor gesehen hat klar stehen muss, dass diese Stopfen noch bombenfest sitzen, obwohl alles andere kaputt gegangen ist. Es gibt davon zwei verschiedene Ausführungen: sogenannte „Welchplugs“ und „Kernlochdeckel“. Ich hänge an Anleitungen für Ein- und Ausbau (auf Schwedisch, aber ich glaube die Bilder sind selbsterklärend). Etwas Dichtmasse am Rand vor dem Einbau schadet auch nicht.
Grüsse, Jan Ivar
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Peter_B
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Re: Froststopfen

Beitrag von Peter_B »

Moin Harald und Vielen Dank,
God afton Jan Ivar och tack så mycket,
für Eure schnellen und interessanten Antworten.

Kein Wunder, dass ich unter dem Stichwort „Froststopfen“ weder in BAL bzw. WHB noch im zeitgenössischen „Trzebiatowsky“ fündig wurde.
Gleichwohl, die ETL zeigt die Verschlußscheiben für diverse Kernlöcher.
ETL-136-VI-Stand-10-1950-S2f.JPG
ETL-136-VI-Stand-10-1950-S2f.JPG (69.81 KiB) 320 mal betrachtet
Interessanterweise fand ich aber auch in o.a. Dokumenten keine „Reparaturanleitung“ für herausgefallene oder gedrückte Verschlußscheiben bzw. Kernlochstopfen– da waren uns die Schweden (nochmals Danke, Jan Ivar) doch voraus, die zeigten auch den Ausbau.
Vielleicht war dort der Eisdruck im Winter einfach größer?!
…oder aber, der Harald’sche „mittelschwere Schlag auf die Kuppe“ ist so allgemein bekannt, dass es keiner weiteren Erwähnung in einem Fachbuch bedarf?!

Nochmals Danke och Tack

Peter

P.S.: … der Begriff „Froststopfen“ ist aber auch so populär und anschaulich, ich habe bis vorhin an seine alleinige Aufgabe als Frostwächter bzw. -schützer geglaubt.


P.S.2: Habe ganz vergessen Haralds Geschichte der Mitte 60er zu loben.
Sehr lebensnah und authentisch geschildert – wer kennt das nicht.
Und da waren sie wieder, die drei Probleme: keine Erfahrung, keine Kenntnisse, kein Geld.
Und die Großmutter wusste auch: „… ein Provisorium hält immer noch am längsten...“
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Rainerausrhede
Junior Mitglied
Beiträge: 14
Registriert: 12. Feb 2023, 13:14

Re: Froststopfen

Beitrag von Rainerausrhede »

Moin
Ich hatte auch ein Froststopfen Erlebnis,ca 1970 stand mein 2ter 170 S mit der Schnauze nach vorn in der Garage,der zu kalte Wind hatte das ungeschützte Kühlwasser gefrieren lassen,ohne jegliche Ahnung hab ich einen neuen tatsächlich dicht bekommen.
Den 170er hat übrigends Werner Karasch gekauft,und damit seine erste große Ersatzteilreise bestritten,es hat sich wohl gelohnt,wie man heute weiß!
Gruß,Rainer
Mein 0M 636 läuft in meinem Unimog 401 von 1956
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