Kleine Geschichte von Gewalt, Faulheit und Alkohol
Verfasst: 30. Jun 2024, 11:52
Kleine Geschichte von Gewalt, Faulheit und möglicherweise Alkohol
Liebe Freunde, es sind nicht immer die großen Probleme, die einen ärgern. Solche, die nur von den großen Spezialisten unter Aufwand all ihres Wissens angegangen und gelöst werden können. Nein, da gibt es auch kleine Misslichkeiten und dabei spielen auch die menschlichen Schwächen, die uns vermutlich alle belasten, ihre Rolle.
Aber der Reihe nach und los geht es!
Zu Beginn jeder Oldtimer-Saison stellt sich in jedem Jahr die Frage, ob das Schätzchen denn anspringt? – Mein 170S nicht! Haha, und klar: Das Benzin ist zurückgelaufen und der Vergaser ist leer. Da muss man zunächst die Haube öffnen und am Handhebel der Benzinpumpe fingern, bis das Sauggeräusch einem mitteilt, dass jetzt Sprit anliegt.
Pustekuchen! Kein Sauggeschlürfe zu vernehmen. Da wird Luft eingesaugt! Laut Handbuch soll die Schraube am Deckel der Benzinpumpe fest angezogen werden, um hier Dichtheit zu gewährleisten. Von oben kommt man mit einer Ratsche ganz gut an die Deckelschraube heran. So setzte ich die 10er Nuss an und drehte fest.
Erstes Kapitel: Gewalt
Die Spezialisten unter euch ahnen bereits, was jetzt geschah. Leicht angezogen: keine Wirkung. Jetzt etwas fester: noch immer nichts. Dann noch etwas mehr gedreht: plötzlich ließ die Spannung nach und die Schraube wurde wieder locker! Ui! Ja, so ein Gewinde hat im Material des Gehäuses (Zink-Legierung) der Benzinpumpe nur eine sehr begrenzte Festigkeit. Und die wurde durch meine rohe Gewalt überschritten, Gewinde ausgerissen! Blöd! Aber jetzt nahm ich den Deckel heraus und fand die Ursache für das Dichtproblem: die Dichtung (Gummi, NBR?) war über den Winter ausgetrocknet und soweit geschrumpft, dass Luft von der Seite eindringen konnte.
Zweites Kapitel: Faulheit
Nun bitte ich die Spezialisten einfach dieses Kapitel zu überspringen! Klar: Benzinpumpe ausbauen (nur zwei Schrauben plus Benzinleitungen lösen), Gewinde auf M7 bohren, M7 Schraube verwenden, Benzinpumpe wieder montieren. In meinem Bestand befindet sich sogar noch außer mehreren alten eine ganz neue Benzinpumpe. Aber da ist noch meine Faulheit, die immer nach einfacheren Lösungen sucht. Gewindeschneiden von oben im eingebauten Zustand geht nicht: zu wenig Platz. Zunächst mal sehen, wie weit das Gewindeloch hinein geht. Große Freude: da waren noch ein paar Gewindegänge ganz innen intakt! Also ein längeres Schräubchen gesucht, eine neue Dichtung aus 2mm Kork (ebay) geschnitten und die Deckelschraube „handfest“ angedreht. Das funktionierte und blubbernd sprang der Motor an!
Aber solche Lösungen sind nicht auf Dauer tauglich und bei mir war die Situation wie ein Dorn unter dem Fingernagel. Jedoch trieb mich immer noch die Faulheit und ich fand schließlich eine einfache Lösung, ohne Ausbau. Ich beschaffte einen M6 Stehbolzen und kürzte ihn soweit, dass ich den Deckel der Benzinpumpe mit einer Hutmutter befestigen konnte. Den Stehbolzen klebte ich mit einem 2-Komponenten Epoxidkleber ein. Problem gelöst? Nur teilweise! Denn nach den 24 Stunden Wartetezeit, bis der Kleber belastbar geworden war, stellte ich fest, dass auch meine selbst geschnittene Korkdichtung geschrumpft war. Nach dem Abschrauben des Deckels war sie an der Luft ausgetrocknet und passte jetzt nicht mehr.
Drittes Kapitel: Möglicherweise Alkohol?
Nach dem Debakel probierte ich etwas aus. Ich legte die geschrumpften Dichtungen aus „Gummi“ und Kork einige Stunden in Benzin ein. Sie quollen auf und passten wieder genau in den Deckel der Benzinpumpe, fingen aber an der Luft sofort wieder an zu schrumpfen. Bei allen alten Deckeln bestehen die Dichtungen aus Kork. Diese sind zwar steinhart geworden, sind aber zumindest erkennbar nicht geschrumpft. Kork ist ein Naturprodukt, er besteht aus weichen Holzrindenzellen, die pflanzliche Wachse enthalten. Benzin resistentes „Gummi“ besteht meist aus NBR („Nitrile Butadien Rubber“, Nitril-Kautschuk). Beide Materialien enthalten Stoffe/Monomere, die durch das bei laufender Pumpe ständig vorbei fließende Benzin teilweise gelöst- und weggespült werden. So kommt es vermutlich zu dem Materialschwund, der dann nach Austrocknung zur Undichtigkeit führt. Aber falls dies wirklich so ist, warum sind dann die alten Korkdichtungen nicht geschrumpft? Liegt das möglicherweise am Alkohol, der früher nicht dem Benzin zugesetzt war? Bei einer Feier unserer Feuerwehr tönte einer: „Alkohol ist ein gefährliches Zeug, er muss vernichtet werden!“ – Was er wohl damit gemeint haben mag? Ich jedenfalls habe meine Lehre aus der Geschichte gezogen.
Fazit: Was ich jetzt beachte.
Liebe Freunde, ich musste lernen, dass vermutlich alle Benzin resistenten Materialien in Benzin quellen und nach dem Austrocknen schrumpfen. Die Lösung ist einfach: Dichtung durch eine neue ersetzen und Schraube nur handfest anziehen. Ich verwende jetzt eine selbst geschnittene Dichtung aus NBR. Halblösung: alte Dichtung zu Beginn der Saison einige Stunden zum Quellen in Benzin legen.
Es grüßt euch Ulrich
Liebe Freunde, es sind nicht immer die großen Probleme, die einen ärgern. Solche, die nur von den großen Spezialisten unter Aufwand all ihres Wissens angegangen und gelöst werden können. Nein, da gibt es auch kleine Misslichkeiten und dabei spielen auch die menschlichen Schwächen, die uns vermutlich alle belasten, ihre Rolle.
Aber der Reihe nach und los geht es!
Zu Beginn jeder Oldtimer-Saison stellt sich in jedem Jahr die Frage, ob das Schätzchen denn anspringt? – Mein 170S nicht! Haha, und klar: Das Benzin ist zurückgelaufen und der Vergaser ist leer. Da muss man zunächst die Haube öffnen und am Handhebel der Benzinpumpe fingern, bis das Sauggeräusch einem mitteilt, dass jetzt Sprit anliegt.
Pustekuchen! Kein Sauggeschlürfe zu vernehmen. Da wird Luft eingesaugt! Laut Handbuch soll die Schraube am Deckel der Benzinpumpe fest angezogen werden, um hier Dichtheit zu gewährleisten. Von oben kommt man mit einer Ratsche ganz gut an die Deckelschraube heran. So setzte ich die 10er Nuss an und drehte fest.
Erstes Kapitel: Gewalt
Die Spezialisten unter euch ahnen bereits, was jetzt geschah. Leicht angezogen: keine Wirkung. Jetzt etwas fester: noch immer nichts. Dann noch etwas mehr gedreht: plötzlich ließ die Spannung nach und die Schraube wurde wieder locker! Ui! Ja, so ein Gewinde hat im Material des Gehäuses (Zink-Legierung) der Benzinpumpe nur eine sehr begrenzte Festigkeit. Und die wurde durch meine rohe Gewalt überschritten, Gewinde ausgerissen! Blöd! Aber jetzt nahm ich den Deckel heraus und fand die Ursache für das Dichtproblem: die Dichtung (Gummi, NBR?) war über den Winter ausgetrocknet und soweit geschrumpft, dass Luft von der Seite eindringen konnte.
Zweites Kapitel: Faulheit
Nun bitte ich die Spezialisten einfach dieses Kapitel zu überspringen! Klar: Benzinpumpe ausbauen (nur zwei Schrauben plus Benzinleitungen lösen), Gewinde auf M7 bohren, M7 Schraube verwenden, Benzinpumpe wieder montieren. In meinem Bestand befindet sich sogar noch außer mehreren alten eine ganz neue Benzinpumpe. Aber da ist noch meine Faulheit, die immer nach einfacheren Lösungen sucht. Gewindeschneiden von oben im eingebauten Zustand geht nicht: zu wenig Platz. Zunächst mal sehen, wie weit das Gewindeloch hinein geht. Große Freude: da waren noch ein paar Gewindegänge ganz innen intakt! Also ein längeres Schräubchen gesucht, eine neue Dichtung aus 2mm Kork (ebay) geschnitten und die Deckelschraube „handfest“ angedreht. Das funktionierte und blubbernd sprang der Motor an!
Aber solche Lösungen sind nicht auf Dauer tauglich und bei mir war die Situation wie ein Dorn unter dem Fingernagel. Jedoch trieb mich immer noch die Faulheit und ich fand schließlich eine einfache Lösung, ohne Ausbau. Ich beschaffte einen M6 Stehbolzen und kürzte ihn soweit, dass ich den Deckel der Benzinpumpe mit einer Hutmutter befestigen konnte. Den Stehbolzen klebte ich mit einem 2-Komponenten Epoxidkleber ein. Problem gelöst? Nur teilweise! Denn nach den 24 Stunden Wartetezeit, bis der Kleber belastbar geworden war, stellte ich fest, dass auch meine selbst geschnittene Korkdichtung geschrumpft war. Nach dem Abschrauben des Deckels war sie an der Luft ausgetrocknet und passte jetzt nicht mehr.
Drittes Kapitel: Möglicherweise Alkohol?
Nach dem Debakel probierte ich etwas aus. Ich legte die geschrumpften Dichtungen aus „Gummi“ und Kork einige Stunden in Benzin ein. Sie quollen auf und passten wieder genau in den Deckel der Benzinpumpe, fingen aber an der Luft sofort wieder an zu schrumpfen. Bei allen alten Deckeln bestehen die Dichtungen aus Kork. Diese sind zwar steinhart geworden, sind aber zumindest erkennbar nicht geschrumpft. Kork ist ein Naturprodukt, er besteht aus weichen Holzrindenzellen, die pflanzliche Wachse enthalten. Benzin resistentes „Gummi“ besteht meist aus NBR („Nitrile Butadien Rubber“, Nitril-Kautschuk). Beide Materialien enthalten Stoffe/Monomere, die durch das bei laufender Pumpe ständig vorbei fließende Benzin teilweise gelöst- und weggespült werden. So kommt es vermutlich zu dem Materialschwund, der dann nach Austrocknung zur Undichtigkeit führt. Aber falls dies wirklich so ist, warum sind dann die alten Korkdichtungen nicht geschrumpft? Liegt das möglicherweise am Alkohol, der früher nicht dem Benzin zugesetzt war? Bei einer Feier unserer Feuerwehr tönte einer: „Alkohol ist ein gefährliches Zeug, er muss vernichtet werden!“ – Was er wohl damit gemeint haben mag? Ich jedenfalls habe meine Lehre aus der Geschichte gezogen.
Fazit: Was ich jetzt beachte.
Liebe Freunde, ich musste lernen, dass vermutlich alle Benzin resistenten Materialien in Benzin quellen und nach dem Austrocknen schrumpfen. Die Lösung ist einfach: Dichtung durch eine neue ersetzen und Schraube nur handfest anziehen. Ich verwende jetzt eine selbst geschnittene Dichtung aus NBR. Halblösung: alte Dichtung zu Beginn der Saison einige Stunden zum Quellen in Benzin legen.
Es grüßt euch Ulrich
